Anpassungsfähige Politiker:innen und zähe Verwaltungen
- simongredig
- 28. Jan.
- 2 Min. Lesezeit
Zweifellos haben einige meine Kandidatur für die Churer Stadtregierung bei der Ankündigung im November 2023 nicht ernstgenommen. Ein 30-jähriger, grüner Veloaktivist in der Churer Stadtregierung? Schwer vorstellbar. Anderthalb Jahre später sitze ich nun im Stadthaus und frage mich: Schaffe ich diesen Rollenwechsel tatsächlich?
Die kurze Antwort: Ja. Wir Menschen sind anpassungsfähig und gewöhnen uns schnell an eine neue Ausgangslage und neue Herausforderungen. Natürlich wäre es da das einfachste, meinen grünen Tschopen abzulegen und künftig im Stadthaus das gleiche zu tun, was schon meine Vorgänger:innen gemacht haben. Die Verwaltung gilt bekanntlich als träge und daher ausdauernder als die Politiker:innen, die kommen und gehen. Die meisten Mitglieder der Exekutive werden daher mindestens so häufig von der Verwaltung geführt wie die Verwaltung von den Politiker:innen. Das mag ernüchternd sein, ist aber nur logisch. Schliesslich sind viele Projekte und Konzepte längst erarbeitet, wenn man sein Amt antritt. Und alles über den Haufen werfen wäre weder effizient noch klug.
Die Devise könnte demnach lauten: Zuschauen und Ja sagen. Nur wäre das nicht in meinem Sinn und auch ziemlich langweilig. Wenn ich mich gerne langweilen würde, hätte ich mich nicht für den Stadtrat beworben. Deshalb habe ich im ersten Monat eine persönliche Strategie entwickelt. Sie besteht aus den drei Grundzügen Delegieren, Priorisieren und Gas geben.
1. Delegieren: Das allermeiste, was in der Verwaltung gearbeitet wird, ist Tagesgeschäft. Baubewilligungen, Unterhaltsarbeiten, Kleinprojekte: Für eine Einmischung in diese Fragen fehlt mir nicht nur das Detailwissen, sondern auch die Zeit. Deshalb ist es wichtig, dass diese von den zuständigen Personen effizient und ohne unnötige Verzögerungen abgewickelt werden können.
2. Priorisieren: In den letzten Jahren sind einige Sachgeschäfte steckengeblieben. Viele Projekte sind in der Pipeline und warten darauf, gestartet zu werden. Alle gleichzeitig zu starten ist aber weder möglich noch sinnvoll, da es viele Abhängigkeiten untereinander gibt. So muss man z.B. zuerst wissen, wo der Verkehr künftig entlanggeführt werden soll, bevor man entsprechende Anlagen realisieren kann. Aus diesem Grund ist es zu Beginn meiner Amtszeit entscheidend, ein paar strategische Entscheidungen zu fällen. Selbstverständlich nicht alleine, sondern im engen Austausch mit der Verwaltung, externen Partnern und meinen Kollegen im Stadtrat.
3. Gas geben: Auch wenn von aussen betrachtet vielleicht manchmal der Eindruck entsteht, dass die Dinge in der Verwaltung immer ein bisschen länger brauchen: Auch Projekte der öffentlichen Hand gehen schneller voran, wenn alle Beteiligten mit Elan und Überzeugung daran arbeiten. Aus diesem Grund ist es mir wichtig, einmal beschlossene Dinge mit dem nötigen Einsatz voranzubringen.
Wo bleibt denn jetzt der Aktivist in mir? Ganz einfach: Bei all den obengenannten Schritten gibt es die Möglichkeit, meine eigenen Überzeugungen einfliessen zu lassen. Je nach Thema ist das mehr oder weniger nötig. Aber eines ist klar: Ich gebe mein Bestes für Chur.



