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Fifty-fifty – schön wärs!

Ich bin in einem sehr fortschrittlichen Haushalt aufgewachsen. Meine Eltern haben anfangs der Neunzigerjahre in ihren Jobs je 50 Prozent gearbeitet und sich auch die Haus- und Betreuungsarbeit aufgeteilt. Dieses Beziehungs- und Betreuungsmodell war damals sehr ungewöhnlich (und ist es leider heute immer noch). Das hat mich geprägt. Entsprechend war für mich immer klar, was Gleichstellung bedeutet: gleich viel arbeiten, gleich viel betreuen, gleich viel haushalten. Weil meine Partnerin das ähnlich sieht, war für uns immer klar: Wenn wir einmal Kinder haben, dann werden wir beide Teilzeit arbeiten und uns die Betreuungsarbeit gleichmässig aufteilen.

Das haben wir einige Jahre so gemacht. Unser erstes Kind ist noch während der Studienzeit zur Welt gekommen. Beide konnten wir uns unsere Zeit frei einteilen, beide haben wir nebenher 40 Prozent gearbeitet, beide haben wir viel Zeit zu Hause verbracht.


Eine wunderbare Zeit. Mit dem Umzug nach Chur und der Geburt des zweiten Kindes kam dann die erste Herausforderung: Ich hatte bei Pro Velo meinen Traumjob gefunden, konnte jedoch in Zürich nicht per sofort kündigen. Zudem wollte meine Partnerin nach dem zweiten Kind ihre Arbeit mehr als nur drei Monate pausieren. Und prompt steckten wir für einige Monate in der «klassischen» Paarsituation, in der ich mehr Zeit im Büro verbrachte und meine Partnerin mehr Zeit zu Hause.

Das hat uns zur Frage geführt: Ist Gleichstellung innerhalb einer Beziehung nur dann erreicht, wenn beide das Gleiche tun? Es gibt verschiedene Modelle. Wichtig ist, dass die Bedürfnisse beider Personen gleichermassen berücksichtigt sind. Je nach Lebensphase kann das bedeuten, dass beide genau 50 Prozent der Lohn- und Betreuungsarbeit über- nehmen. Muss es aber nicht. Entscheidend ist der beidseitige Wille, sich in einer Partnerschaft den Raum zur Erfüllung der jeweiligen Bedürfnisse zu lassen. Und die Arbeit des anderen gleichermassen wertzuschätzen.

Zum ersten Mal richtig herausgefordert wurde unser Selbstverständnis dann aber, als die bisher grösste Entscheidung meines Berufs- beziehungsweise Politlebens anstand. Soll ich mich für den Churer Stadtrat zur Wahl stellen? Wir haben lange diskutiert,

ob diese Kandidatur mit unserem Familienmodell zu vereinbaren ist. Leider ist sie das nicht vollständig. Aber wenn niemand vorausgeht und damit anfängt, trotz eines politischen Amts weiterhin Verantwortung in der Kinderbetreuung zu übernehmen, dann wird sich das auch nicht ändern. Verantwortung übernehmen heisst nämlich nicht nur, gelegentlich einen coolen Ausflug mit den Kindern zu unternehmen. Verantwortung übernehmen heisst mitzudenken, mitzuentscheiden und da zu sein.

Beim Schreiben dieser Kolumne merke ich, dass es viel anspruchsvoller ist, über Gleichstellung zu schreiben, als über andere politische Themen. Bei mir hat das Schreiben dieses Texts eine Reflexion über die vergangenen Jahre ausgelöst. Genau das ist aber wichtig. Denn Gleichstellung betrifft uns alle! Es gibt noch viel zu wenige Männer, die sich zu diesem Thema äussern und sich aktiv an der Diskussion beteiligen. Die nächste Gelegenheit dazu bietet sich am feministischen Streiktag vom 14. Juni. Sehen wir uns ab Mittag auf dem Alexandraplatz in Chur?

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